Was dich daran hindert, deine Leidenschaften voll auszuleben

Gastartikel von Anna Böhm

Ich war 12, als ich unbedingt Popstar werden wollte. Mein erster, selbstgeschriebener Song war ein Ohrwurm, den ich mit meiner besten Freundin unaufhörlich durch die Straßen streifend trällerte. Mit dem Keyboard (und einem Kilo Batterien) bewaffnet stellten wir uns raus an die Häuserecke, um „entdeckt“ zu werden. Das Fernsehen hatte uns nämlich beigebracht, dass man einen Manager brauchte, um ganz groß rauszukommen. Und auf den „traf“ man einfach so.

„Mein Vater kennt einen Manager!“, eröffnete meine Freundin mir eines Tages. Ich erbleichte und wusste: Der Durchbruch stand kurz bevor. Ich übte noch fleißiger vor dem Spiegel, griff noch tiefer in den Schminktopf und wappnete mich für den großen Erfolg. Der natürlich nicht eintrat.

 

Wie uns die Hoffnung geraubt wird, bevor sie entsteht

Oh ja, meine Eltern haben sich vermutlich über unsere kleine Band schlapp gelacht. Aber sie haben mich niemals davon abgehalten, es zumindest zu versuchen. Mein Selbstbewusstsein hat in all den Jahren seit meiner Kindheit einige gewaltige Dellen abbekommen, aber das Musikmachen habe ich nie sein lassen können. Bis heute nicht.

Leider geht es nicht allen so. Ich hörte es neulich selbst auf der Straße. Ein kleines Mädchen war so begeistert von einem Hubschrauber, dass sie, den kleinen Finger in die Luft streckend ihrer Mutter offenbarte: „Ich will Hubschrauberpilotin werden!“ Die Mutter packte sie energisch an ebendiesem Finger, schüttelte den Kopf und meinte nur: „So ein Quatsch!“

Tja, und so geht es leider den meisten von uns. Manche haben Glück, andere weniger. Manche kommen mit einer ihrer Leidenschaften in der Gesellschaft „durch“, während andere Interessen vollkommen auf der Strecke bleiben, obwohl sie so gerne ausgelebt oder zumindest ausprobiert werden würden.

Dabei lässt sich den Eltern oder der Gesellschaft nicht einmal unbedingt ein Vorwurf machen. Schließlich wollen sie die Kinder davor bewahren, enttäuscht zu werden. Dass sie ihnen jedoch etwas rauben – die Zuversicht, auch etwas zu meistern, was schwierig ist – ist ihnen nicht bewusst.

 

Deine Leidenschaften sind kleine Mimosen

Diese Einstellung von „Da wird ja doch nichts draus“ lernen wir schon sehr früh für uns selbst zu übernehmen. Dann brauchen wir keinen Elternteil mehr, der uns von der Unmöglichkeit unserer Träume überzeugt – das erledigen wir schon selbst. In soziologischen Studien wurde festgestellt, dass Mädchen viel seltener dazu ermutigt werden (von Eltern, Erziehern, Lehrern), ihren Träumen zu folgen. Ihnen werden die Fantasien noch vehementer ausgeredet als den Jungen.

Und so finden wir uns eines Tages als Erwachsene wieder. Wir spüren, dass da etwas in uns ist, das gelebt werden möchte – doch es ist so schwer, unsere Begeisterung und unseren Mut wieder auszugraben, dass wir oftmals das Handtuch werfen, bevor wir richtig angefangen haben.

Manchmal ist das Finden der Leidenschaften jedoch nicht das Problem. Vielleicht weißt du schon ganz genau, wohin es bei dir gehen soll, findest aber keinen Weg? Das kann daran liegen, dass dir nicht bewusst ist, wie mimosenhaft deine Leidenschaften und deine Begeisterung ist. Ein kleiner Rückschlag und du bist dir plötzlich gar nicht mehr sicher, ob du dir das alles wirklich zutraust. Kommt dir das bekannt vor?

 

Die Härte drängt dich unbewusst zurück

 In unserer Gesellschaft wird Kämpfen, Leiden, Durchbeißen und Ehrgeiz ganz groß geschrieben, das ist für dich bestimmt nichts Neues und irgendwie finden wir das ja alle blöd. Und dennoch sind diese Grundsätze so fest in unserem Denken verankert, dass wir nicht davon loskommen. Obgleich wir spüren, dass etwas schief läuft, machen wir es selbst nicht anders. Wir sind zu uns selbst so hart, wie wir es zu einer lieben Freundin wohl niemals wären. Wir setzen uns Maßstäbe, die kaum einzuhalten sind und ziehen Vergleiche, die keinerlei Sinn machen. Obwohl es uns scheinbar gut geht, da wir unsere Interessen gefunden und erweckt haben, halten wir uns mit unseren Gedanken dennoch immer wieder klein.

Wir beschimpfen uns für unsere Unfähigkeit, sobald etwas nicht so läuft, wie wir uns das vorgestellt haben; fragen uns, warum das mit dem Geld denn nicht verdammt nochmal endlich funktioniert und sind frustriert, weil die ganzen Ratgeber doch mal wieder unrecht haben.

Obwohl wir ein fließendes und einfaches Leben haben wollen, ist es Härte, die unseren Alltag begleitet und die wir sogar selbst erzeugen. Diese Härte gegenüber uns selbst hält uns klein und verwandelt unsere Leidenschaften in etwas, das tatsächlich Leiden anstatt Freude schafft.

 

Wie der liebevolle Umgang mit deinen Leidenschaften dich vorwärts bringt

Unsere Begeisterung verkriecht sich schon beim ersten Anzeichen von Druck, Stress und Zwang. Das ist es schließlich, was wir in unserer Kindheit gelernt haben und jetzt erfolgreich anwenden. Nur, dass diese Taktik inzwischen für uns nicht mehr funktioniert, da wir unsere Leidenschaften ja leben wollen. Doch die alten Muster loszulassen ist nicht immer einfach. Das musst du auch gar nicht. Kümmer dich nicht zu sehr um die Vergangenheit, sondern schau dir an, wo du jetzt stehst und wie du dich selbst behandelst. Es gibt 5 Fragen, mit deren Beantwortung dir schnell klar wird, wie liebevoll du zu dir selbst bist:

  1. Sprichst du mit einer liebevollen Stimme mit dir selbst oder bist du eher hart?
  2. Wie lange brauchst du, um dich von einem Rückschritt oder von Kritik zu erholen?
  3. Bist du schnell frustriert?
  4. Kommst du mit dem, was du willst, einfach nicht voran?
  5. Wie gut oder schlecht schneidest du bei Vergleichen mit anderen ab?

 

Umarme das Kind in dir

Wenn du nicht liebevoll zu dir und zu deinen Leidenschaften bist, wirst du immer Probleme damit haben, der Welt zu zeigen, was wirklich in dir steckt. Vor allem bei uns Frauen sperrt sich oftmals alles in uns, sobald wir mit Härte und Kampf konfrontiert sind. Es gibt aber wirklich den Weg ohne Kampf und voller Leichtigkeit. Den Weg, auf dem einfach alles in dein Leben fließt, was du brauchst.

Es gibt viele Möglichkeiten, zu sich selbst liebevoller und achtsamer zu sein. Einen davon möchte ich dir hier kurz vorstellen. Sicher hast du bereits vom inneren Kind gehört. Die Arbeit damit ist nicht umsonst so heilsam und befreiend. Keine Sorge, du musst dafür nicht viel tun. Stelle dir nur einen kurzen Augenblick lang vor, dass du mit dir selbst wie mit einem kleinen Kind umgehst, das Fantasien und Träume hat. Wie sprichst du mit diesem Kind? Was sagst du zu ihm? Welche Körperhaltung nimmst du ein, während es dir von seinen Wünschen erzählst? Ermunterst du es?

Vielleicht denkst du an diese Art, mit dir selbst zu kommunizieren, wenn du das nächste Mal frustriert und enttäuscht bist. Das geschieht meist nicht von jetzt auf nachher, sondern ist ein kontinuierlicher Prozess, bei dem du merken wirst, wie es dir jedes Mal ein bisschen leichter fällt, liebevoll zu dir selbst zu sein. Und irgendwann fällt dir auf, dass du gar nicht mehr so klein bist, sondern ein Mensch, der in der Lage ist, das was er liebt voller Liebe und Leichtigkeit in die Welt zu tragen!

Das mit dem großen Durchbruch mit 12 hat übrigens nicht funktioniert, weil ich mich heimlich doch für eine Versagerin hielt. Immerwährend sagte ich mir selbst, ich sei nicht talentiert genug. Als ich diese Glaubenssätze losließ, „lief“ mir durch Zufall meine erste Band über den Weg, ein weiterer Zufall sorgte für eine größere Band und jetzt tue ich das, wovon ich immer geträumt habe: Ich nehme meine eigenen Songs auf. Das mit den Leidenschaften funktioniert also. Wenn du ihnen die Chance gibst und sie und dich selbst liebevoll und ohne Härte behandelst.

 

Über Anna Böhm

Anna Böhm

© www.passionflow.de

Ich bin Anna und schreibe auf meinem Blog www.passionflow.de über die Begeisterung, die es auslöst, seine eigenen Leidenschaften zu finden und ihnen zu folgen. Obwohl ich mit dem Leben lange Zeit auf Kriegsfuß stand, gelingt es mir nun jeden Tag besser, es voller Hingabe und Begeisterung zu leben. Denn ich habe gelernt: Der Weg zu mir selbst führt nur über Leichtigkeit, Freude und die daraus gewonnenen Erkenntnisse, die jeder in sich trägt! 🙂

Ich freue mich über deine Meinung!

2 Comments

  • Grit Lettner

    Reply Reply 2. Juli 2015

    Ein sehr ermutigender und wahrer Artikel! Ich bin fast 50 und ich habe es bislang nicht geschafft, meine Träume und Leidenschaften zu leben. Lange war der „Trost“ meine Familie, waren mir meine Kinder und deren Entwicklung und Leidenschaften genug. Jetzt, da sie eigene Wege gehen und versuchen, ihre Leidenschaften zu leben, wird mir die Lücke im eigenen Leben bewusst.
    Ihr Artikel macht Mut, denn noch ist mein Leben nicht zu Ende. Danke!

  • Anna

    Reply Reply 2. Juli 2015

    Hallo liebe Grit,
    es freut mich sehr, dass ich dir mit meinem Artikel Mut machen konnte. Auch wenn ich noch ein Stückchen jünger bin als du, bin ich mir sicher, dass man in jedem Alter seine Leidenschaften finden kann! Im Rahmen meiner Diplomarbeit habe ich Interviews mit Frauen wie dir durchgeführt – manchen von ihnen war es nicht gelungen, nachdem die Kinder aus dem Haus waren die Lücke zu füllen; andere blühten erst dann so richtig auf. Es ist wichtig, das Verlangen ernst zu nehmen und ihm zu folgen. Ich glaube, du bist auf einem sehr guten Weg dahin, deine Träume zu verwirklichen, denn Erkenntnis ist der wichtigste Schritt. Dabei wünsche ich dir viel Kraft, Geduld und vor allem Freude! 🙂
    Ganz liebe Grüße
    Anna

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